Es ist eigentlich keine grosse Sache. Knapp 7 Stunden. In Kilometern absolut überschaubar. Das findet auch der Schalterbeamte der SBB, der uns die Ticket ausstellt. Das ginge ruckzuck. Quasi eine Verbindung. Nur winzige zweimal umsteigen. In Milano und Genova. Retour das Selbe. Nur umgekehrt. Natürlich. Er könne uns da eine ausgezeichnete Verbindung offerieren. Kürzeste Aufenthalte in Milano und Genova. 20 Minuten maximal. Da, spätestens da hätten sämtliche Alarmglocken schrillen müssen. Weil, Pustekuchen. 20 Minuten. Hin ging es ja noch. Weil SBB. Bis Milano. Sprich Verspätung minimal. 15 Minuten oder so. Wir natürlich erstens ganz hinten im Zug. Und auf Gleis 3. Der Zug nach Genova? Gleis 20. Umsteigezeit? 5 Minuten. In Milano. Kennen sie den Bahnhof Milano Centrale? Da passt Zürich HB dreimal rein. Mindestens. Und wir natürlich nicht die Einzigen. Die umsteigen wollten und die sich im Bahnhof aufhielten. Zumeist Italiener. Jetzt! Der Italiener an und für sich relativ relaxed. Als Kellner zum Beispiel. Oder Schalterbeamter. Sehr relaxed. Ich schwör. Als Reisender? Mit Familie? In einem Bahnhof? Hysterisch. Aber so was von. Wirklich nichts gegen Euch, ihr lieben Italiener. Aber das ist der absolute Hammer. Da half nur noch die beiden Jungs hinter mir in einer Reihe, ich den Rucksack vorne quer und dann Prinzip Rammbock.
In letzter Sekunde. Wie ein paar hundert Andere auch. Die Fahrt von Milano nach Genova? Eine Stunde zwanzig. Bis wir an unsere reservierten Plätze kamen? Eine Stunde neunzehn. Eine Minute verschnaufen und Genova.
Dank unserem freundlichen Schalterbeamten wirklich nur ein kurzer Aufenthalt. Von knapp zwei Stunden. Unser Zug erstens zu spät angekommen. Und der andere Zug noch garnicht da. Oder doch. Aber auf einem anderen Gleis. Im Tiefbahnhof. War auch wirklich etwas unleserlich auf der Anzeigetafel. Das es nicht Gleis 18 hies, sondern Gleis 1S. Vielleicht auch meine Augen. Wer weiss.
Irgendwie kamen wir dann doch noch zum Zug. Und auf unseren. Nach Camogli. Über diesen romantischen kleinen Ort an der ligurischen Küste erzähle ich ihnen in der nächsten Geschichte. Von den Kirchenglocken zum Beispiel. Das wäre etwas für unsere Jammerer in der Schweiz. Vonwegen Glockenschlag. Wie gesagt, sind Italiener relativ relaxed. Darum schlagen die Glocken nicht einfach nur jede Viertelstunde. Nein, sie schlagen zuerst die volle Stunde, und dann die Viertelstunde. Jedesmal. Morgens um Viertel nach Fünf also zuerst fünfmal und dann einmal. Um Halbsechs wieder fünfmal und dann zweimal. Uns so weiter und so fort. Muss man wissen. Wenn die Ferienwohnung direkt neben der Kirche liegt. Aber sonst( Eine Wucht in Tüten. Alles top. Aber wie gesagt, dazu später mehr.
Wissen sie wo ich gerade diese Geschichte schreibe? Auf dem Rückweg. In Genova. Wieder eine wirklich schnelle Verbindung. Theoretisch. Danke. Lieber, freundlicher schweizer Schalterbeamter. Nur 15 Minuten Wartezeit zum Umsteigen. Schön. Leider kam der Zug von Camogli nach Genova schon 20 Minuten zu spät. Der Anschlusszug nach Milano hat aber auch schon 40 Minuten Verspätung. Oder fällt ganz aus. Das wisse man noch nicht so genau. Sagt uns die Anzeigetafel. Und der relativ relaxde italienische Schalterbeamte. Die Hundertschaften hysterische italiener, die offensichtlich auch nach Milano wollen, sagen etwas anderes. Jeder Einzelne. Laut, damits auch jeder Andere versteht.
Ab Milano ist es dann ja wieder ein Zug der SBB. Zwar nicht der, der auf unserem Ticket steht. Aber ich zähle jetzt mal auf die freundlichen schweizer Bahnbeamten und deren Verständnis. Auch dazu gibt es eine Geschichte. Über ein Ticket für vier Tage. Und dann schon am dritten zurück. Kein Problem sagen sie? Da kennen sie aber die SBB nicht.
Der Nachtwanderer ist freier Autor, Zürcher Fels in der alltäglichen Brandung, Szenebeobachter, diffundierender zwischen den Welten Bummler und moderner Geschichtenerzähler. Mit einer gewissen Sehnsucht nach Weite strickt er aus alltäglichen Erlebnissen und Beobachtungen kleine Kurzgeschichten. Mit feinem Humor, einer Prise Ironie und etwas Schalk, eröffnet sich deren versteckter Sinn manches mal erst beim wiederholten Lesen. Und nicht selten entdeckt man sich selbst in seinen Geschichten wieder.