Stellen sie sich vor, sie laufen durch den Wald. Die Sonne
scheint. Die Vögel krakeelen voller Inbrunst im Geäst. Ab und an duftet eine
Hundehinterlassenschaft mit ein paar Kräutern um die Wette. Oder dem Leder
ihrer Schuhe. Sie verstehen schon. So für sich betrachtet, ist ein Wald was Wunderschönes.
Voller Ruhe. Wenn denn Ruhe herrscht. Weil der Ruhesuchende ja dazu neigt,
dabei Geräusche zu machen. Auf seiner
Suche nach der Stille. Meistens pfeift er. Als Jogger entweder aus dem letzten
Loch. Oder als halbwegs musisch Begabter aus Ersterem. Was er nur selten tut,
ist, sich unsichtbar zu machen. Optisch, wie akustisch. Wenn doch, ist er
entweder Jäger und auf der Pirsch oder gerät dann mitunter unter Generalverdacht.
Irgendetwas Halbseidenes oder gar illegales vorzuhaben. Jedenfalls. Egal wie.
Es fällt auf. Immer. Je mehr sie sich darum bemühen, es gerade nicht zu tun.
Sie laufen also durch den Wald, querfeldein, wo noch erlaubt. Geniessen die Ruhe, nachdem sie eben noch von einem Mountain-Biker
fast ins Jenseits oder zumindest ins Krankenhaus befördert wurden. Und auf
einmal? Auf einmal stehen sie auf einer Lichtung. Umrahmt von Bäumen. Sanftes
Sonnenlicht bildet goldene Inseln. Und mit ihnen sieben Zwerge. Also etwas Grössere.
Damit man sie auch sieht. Wobei sie eigentlich ja gar nicht gesehen werden
wollen. Die Zwerge stehen völlig unauffällig auf dieser Lichtung rum. Um Nichtsichtbarkeitbemüht . Der eine Zwerg hat die Hände in der Hosentasche, den Blick auf den Boden gerichtet. Sich möglichst klein machend. Der zweite Zwerg, etwas
entfernt, tut noch unschuldiger, hat zwar auch die Hände in der Hosentasche,
schaut dabei aber nach oben. Einem imaginären Vogel nach. Der dritte Zwerg
steht nur da und schaut ins Leere. Der Vierte bohrt in der Nase, wobei ihm der
Fünfte möglichst unauffällig zusieht. Nr. Sechs pinkelt gerade an einem Baum
und der siebte Zwerg schliesslich, riecht an einer Blume und versteckt sich
dahinter.
Sie tun alles, um möglichst nicht gesehen zu werden. Schon
gar nicht soll jemand auf die Idee kommen sie seien «Die sieben Zwerge». Auf
einer einsamen Lichtung im Wald. Bei der angekommen, jeder unbedarfter Waldwanderer
sofort denkt: «Oh, hoppla, so ein Zufall. Diese Überraschung! Die sieben
Zwerge, was tun die denn hier!?»
Genauso war es gestern Morgen. Wirklich. Ich schwör. Nur
nicht im Wald. Sondern an der Tramhaltestelle. Irgendwo auf meinem Arbeitsweg.
Und es waren nicht die sieben Zwerge. Es waren sieben VBZ-Kontrolleure, die
aber analog der Zwerge im Wald auf dieser Lichtung, möglichst unverdächtig und
vor allem unsichtbar an dieser Haltestelle rumstanden. Einer bohrte sogar in
der Nase. Ich habe nämlich den anderen dabei zugesehen, wie er den Nasebohrer
beobachtet hat. Unverdächtigkeit zu erregen hoffend.
Und während sie draussen an der Haltestelle so rumstanden,
weil sie wohl erst auf das nächste Tram warteten. Wohl in der Hoffnung, darin
dann mehr Schüler ohne gültiges Ticket zu erwischen. Währenddessen begannen all
die Menschen in meinem Tram zu schmunzeln. Offensichtlich. Belustigt über das
Schauspiel, dass sich ihnen so unverhofft an diesem Morgen bot.
Vielleicht sah der Eine oder Andere auch «Die sieben Zwerge!»